Hallo liebe Blogleser und Freunde von Seek and Care!
Nun bin ich bereits über einen Monat in Indien, 48 Tage außerhalb von Deutschland und somit ist bereits ein gutes Drittel meiner Zeit in Indien schon vorüber. Langsam wird es also Zeit, mal von mir hören zu lassen und bei all den Jahresrückblicken, möchte ich auch meinen der letzten Tage und Wochen zum Besten geben. Zugegebenermaßen, ja ich bin etwas schreibfaul geworden und ja, ich nehme mir felsenfest für das neue Jahr vor, öfter von mir zu berichten. Da ich mein Reisetagebuch nach anderthalb Wochen ebenso wenig pflegte, wie meinen Blog, hoffe ich aber mich an alles zurückerinnern und euch einen kleinen Einblick in mein Leben Fernost geben zu können.
Am 14.11. startete ich in mein Abenteuer Ausland. Das erste Mal allein reisen, fliegen und vorerst auch sein. Über Kairo ging es zunächst nach Abu Dhabi. Meine Flüge waren so getaktet, dass ich in der Wüstenstadt der Emirate ganze drei Tage verbrachte. Zur Einstimmung auf die kommende Zeit und zur Selbstreflexion war dies für mich nicht die schlechteste Entscheidung, auch wenn dieser Ort, für jemanden, der das erste mal wirklich allein reist, etwas trostlos sein kann, da ich bei meinen abendlichen Spaziergängen zur Nachungsbeschaffung teilweise auf wirklich niemanden traf. Laufen scheint dort nicht so verbreitet zu sein… Auf jeden Fall verbrachte ich die entspannten Tage mit Netflix, Pool und meinem 1000-Seiten-Wälzer von Reiseführer, um nicht gänzlich unvorbereitet in die kommenden Monate zu starten. Nach drei Tagen in der schnieken Plastik- und Komsumwelt des Golfstaates, dessen einzige Intention das Ausgeben von Geld zu sein scheint, war ich dann aber auch froh endlich Mumbai, Indien und IMCARES kennenzulernen, eine Welt, die, wie mir zuvor schon bewusst war, deutlich sympathischer und aufregender sein sollte.
Den letzten Flug entspannt hinter mich gebracht, wartete bei Ankunft noch eine kleine Überraschung auf mich, da man es bei den anstehenden Kontrollen mit persönlicher Befragung auch wirklich genau wissen wollte.
Am Flughafen empfing mich dann trotz langen Wartens (Flugverspätung, Kontrollen, Gepäck…) Sonali, die Frau von Timothy Gaikwad (CEO). Mit dem Taxi ging es dann 40 Minuten durch das Großstadtgetümmel von Mumbai, bis hin zum Office von IMCARES. Mitten am Kreisverkehr Nana Chowk, zwischen Hochhäusern und Verkehr, stand das verhältnismäßig kleine Häuschen, welches den Eindruck erweckte, es stand schon vor allem anderen hier und welches für meine Zeit in Mumbai meine Unterkunft werden sollte. Nachdem ich angekommen und mein Gepäck ausgepackt war, wagte ich mich dann neugierig hinaus die Umgebung zu erkunden. Ein paar Karten zuvor studiert, wusste ich, dass der Chowpatty-Beach ganz in der Nähe liegt und so verbrachte ich die abendlichen Stunden an eben jenem und sog förmlich die Luft, die neuen Eindrücke, Stadt und Menschen auf. Es ist ein ziemlich lebendiger Ort, an dem ich gefühlt der einzige Tourist gewesen war und den ich vom ersten Moment an sehr genoß, sodass ich noch ofter hier her kam. Am Sonntag nach meiner Ankunft wurde ich von Pastor Gaikwad in die Kirche eingeladen, von der Gemeinde auf das herzlichste begrüßt und lernte so auch die spirituelle Seite in den ersten Tagen ein wenig kennen. Ab Dienstag begann ich dann, die Arbeit bei IMCARES kennnzulernen. Mir wurde das Office samt Team vertraut gemacht. Die Tage darauf verbrachte meist damit, bei den Pavement Rounds, von denen Naomi bereits berichtete, mitzulaufen. Lange Strecken, die Großstadt-Hitze und Eindrücke, die kontrastreicher zu den Tagen zuvor nicht hätten sein können, prägten diese Runden und meine Wochentage in Mumbai. Es war nicht immer ganz einfach, vor allem wenn man als verhältnismäßig reicher Europäer so nah mit der Armut und Elend in Kontakt kommt, dann drängt sich doch irgendwie der unangenehme Gedanke auf, man könne doch so viel mehr für diese Menschen tun und dass das, was ich hier gerade tue doch nicht genug sei. Das unangenehme Gefühl des „Armutstouristen“ hielt zum Glück nicht lange an, dafür tat ich in den kommenden Wochen einfach zu viel Gutes, ob bei den besagten Runden oder bei der Hilfe am „Doktor-Dienstag“, an dem Bedürftige das Office besuchen und mit Medizin, sowie Essen versorgt wurden.
So vergingen meine ersten zwei Wochen und ich verbrachte die Feierabende häufig am Chowpatty-Beach – genoß eine leckere Erdbeer-Creme bei „Bachelors“, der sich zu meinem heimlichen Lieblingsladen gemausert hat und den Trubel um mich herum – und konnte so auch sehr gut abschalten oder wanderte auf den nahegelegen Stadtberg um in den Hanging-Gardens dem Verkehrslärm zu entfliehen. Mumbai hat wirklich viele schöne Ecken, die ich schnell zu entdecken wusste und so fühlte ich mich relativ schnell wohl in meiner neuen, doch so andersartigen Umgebung.
Am Wochenende erkundete ich dann auch entferntere Teile der Stadt und ging auf Sightseeing-Tour. Gateway of India, Taj Mahal Hotel, der berühmte CST-Bahnhof, die Höhlen von Elephanta-Island, Cricket am Oval Maidan, Basare… all das musste erkundet werden und ich hatte meine große Freude daran Stadt und Einwohner zu erleben und bei Chai und Gesprächen kennenzulernen.
Buntes Treiben in den Märkten Mumbais
Gateway of India – Vom Boot aus, mit dem es Richtung Elephanta Island ging
Menschen begegnen am Chowpatty-Beach
Cricket auf dem Oval Maidan
Nach geplanten sieben Tagen, die sich dann doch auf zwei Wochen ausdehnten (irgendwie symptomatisch für die Mentalität der Inder) verließ ich jedoch Mumbai, um den vermutlich größeren Teil meines Aufenthaltes kennenzulernen und reiste mit Timothy, Sonali und Pastor Gaikwad in die Nähe von Pune in das Agape Village von IMCARES. Die Kinder empfingen mich mit großer Freude und einem Strahlen im Gesicht. Auch wenn es ab und zu kleine sprachliche Barrieren gab und gibt habe ich mich allerdings perfekt im Dorf eingelebt und eine gut Bindung zu den Kids aufgebaut. Die Tage waren sehr verschieden zu denen in Mumbai. Fernab vom Verkehrslärm und dem Großstadt-Smog der Metropole, tat es auch gut die bessere Luft, Sonne, Natur und das meist entspannte Leben zu genießen. Außer einem Weekly Off, einem freien Tag in der Woche, den man auch braucht, ist man im Agape Village sehr eingebunden. Es ist kein Gefühl von Arbeit, da ich vor allem dort und mit den Kids und den Betreuern zusammen lebe, aber das ist auch das schöne daran. Sobald es was zu tun gibt, sind Naomi und/oder ich zur Stelle, ob bei den abendlichen Hausaufgaben, beim Volleyball- oder Fußballspielen, beim Schach (auch wenn ich nach gefühlt 8 Jahren noch keine Chance habe), in der Küche beim Kochen vor oder Abwasch nach dem Essen, bis zum Reparieren von Wasserhähnen. Wenn die Kinder tagsüber in der Schule sind hatte ich auch oft wieder Zeit für mich, Ausruhen, Lesen usw.. Was ich im Agape Village gut kann ist irgendwie Entschleunigen. Ich lebe von Tag zu Tag und es ist wirklich leicht, einfach mal abzuschalten und so kommt es auch dazu, dass die Zeit hier sehr schnell vorüber geht und die Blogeinträge etwas zu kurz kamen.
Mit meiner Ankunft im Agape Village begann auch die Weihnachtszeit. Anfänglich war ich etwas skeptisch, ob denn irgendwie Weihnachtsgefühle, aufgrund des Wetters, der neuen Umgebung und der Kultur, entstehen mögen. Zum Glück wurde aber zu Hause an mich gedacht und mir vor meiner Reise sogar zwei Adventskalender mitgegeben. Zwei Wochen vor Weihnachten wurde dann eine halbe Woche fleißig damit verbracht das Musikvideo für die Weihnachts- und Neujahrsbotschaft des Agape Villages und IMCARES zu drehen. Vier Tage lang wurde getanzt, gesungen, geprobt, gedreht und die Kinder hatten mächtig Spaß daran, auch wenn es zeitweise sehr anstrengend war. Der Aufwand hat sich allerdings gelohnt und die Kinder waren Stolz wie Bolle, als wir ihnen das erste Mal das veröffentlichte Video zeigten.
Lebender Baumschmuck…
Indische Weihnacht
Eine Woche vor Weihnachten wurde auch das Weihnachtsprogramm aufgeführt. Die gesamte Woche hatten wir uns schon darauf vorbereitet, Die Tänze geprobt (der Tanz der Jungs war mir dann doch etwas zu schwierig für die kurze Zeit), Bühne aufgebaut, Weihnachtsbaum geschmückt… Ein großer Aufwand, der sich gelohnt hat, für einen Abend, an dem alle ihre Freude hatten und von dem Naomi im Blog schon ausführlich berichtete. Zwei Tage vor Weihnachten ging es dann nochmal für eine Nacht nach Mumbai. Jarden, Naomi und ich waren zur IMCARES-Weihnachtsfeier geladen. Trotz der relativ kurzen Distanz nach Mumbai, die man auf deutschen Autobahnen vermutlich in 1,5 Stunden runterrattern würde, war es doch ein etwas anstrengender Trip. Der anschließende Abend mit Essen mit den Mitarbeitern, dem Testen einer indischen Spezialität zum Nachtisch, die für mich nach einer Mischung aus Seife, Tabak und sämtlichen Gewürzen aus Papas Gewürzschrank schmeckte, und dem nächtlichen Weihnachtsgesang im Hause Gaikwad, war aber umso schöner. Nach einer kurzen und viel zu warmen Nacht ging es im Morgengrauen schon wieder zurück. An alle, die sich gerne über meine Pünktlichkeit zu Hause aufregen: Hier bin ich verhältnismäßig vorbildlich wie ihr. Also verpassten wir trotz aller Mühen und Rennen zum Bahnhof unseren Zug. Doch wie es hier läuft, kam zeitnah dann doch einer nach Pune und ich erlebte eine lange, etwas abenteuerliche und vor allem sehr enge Zugfahrt. Irgendwie klappt ja doch alles. In Pune kauften wir dann etwas übermüdet noch alle Köstlichkeiten für das weihnachtliche Festmahl ein. Die Weihnachtszeit war also, wie man es auch von zu Hause kennt, irgendwie ein bisschen stressig, aber genauso schön.
So vergingen die drei Wochen im Heim sehr schnell und eh ich mich versah, war auch schon Weihnachten und mein Geburtstag. Da bereits zur Weihnachtszeit ein Schulfreund der Kinder und dessen Familie bei uns feierte von denen Kinder Schuluniformen geschenkt bekamen, wusste ich schon, wie ein Geburtstag in Indien so abläuft. Also wollte ich unbedingt mit Jarden, die auch am 24. Geburtstag hatte, mit den Kindern eine Geburtstagstorte (wurden dann zwei) verdrücken und wie es hier so brauch ist, landete davon auch einiges in meinem Gesicht…
Da ich aus der Heimat noch ein Weihnachtspäckchen zugeschickt bekam, konnte ich sogar Dresdner Stollen und am Tag darauf selbstgebackene Plätzchen kredenzen. Für den 24. Dezember hatten Naomi und ich den fantastischen Einfall, für alle dreißig Leute zu Weihnachten ein deutsches Drei-Gänge-Menü zu servieren. Da allerdings keiner außer uns wusste, wie man das kocht (eigentlich garnicht so schwer – einfach sämtliche Gewürze weglassen), verbrachten wir die meiste Zeit des Tages in der Küche um Kartoffelbrei zu stampfen, Eier zu braten, Spinat zu Kochen, einen monströsen Topf Hühnersuppe zu kochen und einen Turm aus Pfannkuchen zuzubereiten. Zum Glück hatten wir aber tatkräftige Unterstützung unter unserer Anleitung, sodass sich große Talente für den Crepes-Stand auf dem heimatlichen Weihnachtsmarkt hervortaten. Am Ende hat es zum Glück allen geschmeckt, auch wenn es bei manchen Kids noch einer dicken Schicht Chilipulver über dem gesamten Teller bedarf, was ein sehr witziger Anblick war. Für mich war es schön auch mal wieder etwas Nicht-Scharfes zu essen. Nachts wurde dann in den 25. (Hier Weihnachten) reingefeiert, am Lagerfeuer das halbe Feld verbrannt und auf der Bühne ausgiebig getanzt, sodass ein Weihnachtstag verging, der zwar verschiedener nicht sein konnte, aber ein unglaubliches Erlebnis war.
Vor drei Tagen bin ich dann wieder nach Mumbai zurückgekehrt um Silvester hier zu verbringen und auch nach 7 Wochen mal wieder ein paar Bier zu genießen. Nun sitze ich auf dem Bett in meinem Zimmer und schreibe die letzten Zeilen meines hoffentlich nicht zu lang gewordenen Blogeintrags nieder. Ich wünsche euch allen ein fröhliches und gesundes neues Jahr und hoffe, dass ihr alle gut reingerutscht seid und gerade Spaß beim Lesen hattet. Ein Vorsatz fürs neue Jahr ist auf jeden Fall, dass ihr wieder öfter von mir lesen könnt.
In diesem Sinne: Parat bheta!