Erste Eindrücke

Seit meiner Ankunft sind vier Tage vergangen. Nach all den Eindrücken, kommt es mir schon viel länger vor.

 

Bisher haben Timothy und ich viele Ideen, Erwartungen, Gedanken und Visionen ausgetauscht. Sowohl über das neuen Projekt Ankur, als auch bezüglich der Zusammenarbeit zwischen IMCARES und Seek and Care. Alles ist sehr spannend und aufregend, wenn ich mir das bisherige Ergebnis unserer Gespräche ansehe. Der Austausch mit Timothy ist sehr tiefgründig und von Transparenz und Vertrauen geprägt. Seine Visionen überraschen und begeistern mich immer wieder.

 

Neben dem Strukturaufbau und den fallenden Formalitäten war ich viel mit Meena unterwegs.

Meena arbeitet hauptsächlich bei Ankoor und erfasst momentan die Fallgeschichten einzelner Kinder. Gemeinsam mit Meena habe ich ein knapp zweijähriges Mädchen besucht, die mit ihrer Familie auf der Straße lebt. Sie haben dort seit vielen Jahren ihren festen Wohnsitz. Nach ein paar Anlaufschwierigkeiten, konnte ich schließlich zu dem Mädchen durchdringen und herzlich mit ihr lachen. Wir erklärten der Familie unsere Behandlungsansätze und deren Bedeutung für die Entwicklung ihrer Tochter.

Es ist sehr schwierig zu manchen Angehörigen durchzudringen. Oft sind sie nicht wie verabredet daheim anzutreffen, oder erscheinen nicht zum vereinbarten Termin bei IMCARES.

Die Verhältnisse, aus denen die Kinder stammen, sind wirklich schockierend. Wenn wir sagen, wir besuchen dieses oder jenes Kind in ihrem Haus, dann verbirgt sich dahinter mit etwas Glück eine etwa vier Quadratmeter große Fläche, die von einer Plane überdacht ist. Mindestens vier Familienmitglieder leben hier mit ihrem gesamten Hausrat. Die Kinder sind oft allein und schutzlos, während die Eltern den Lebensunterhalt einbringen müssen.

Umso schöner ist es dann, ein Kinderlachen zu sehen und Fortschritte zu erleben, die vielleicht im Kleinen anfangen, aber langfristig einen großen Unterschied für das Kinderleben machen können.

 

Rebekka

 

 

Die Kunst des Wartens

Heute ist der dritte November. Ich kann es noch immer kaum glauben, tatsächlich wieder in Mumbai zu sein.

 

Hier folgt ein kurzer Rückblick in die vergangenen, sehr turbulenten 48 Stunden.

Am 1.11. bin ich morgens nach Frankfurt aufgebrochen, um am Abend meinen Flug zuerst nach London und dann nach Mumbai anzutreten. Am Tag zuvor hatte ich mir blöder Weise den Fuß umgeknickt, was für’s Gepäcktragen nicht sehr hilfreich war. So humpelte ich von Bahnsteig zu Bahnsteig und schließlich durch den Flughafen, wo mir sogar ein Rollstuhlservice angeboten wurde. Nach kurzem Überlegen lehnte ich allerdings ab, frei nach dem Motto „selbst ist die Frau“.

 

Ich verbrachte die folgenden sieben Stunden am Flughafen, bis ich endlich einchecken, die Sicherheitskontrolle passieren und nun auf das Boarding warten durfte.

Ja, der Start in diese Reise wurde von dem Wörtchen „Warten“ geprägt.

Gegen Abend hatte sich ein dichter Nebel sowohl über Frankfurt als auch über London gelegt, wodurch die Starterlaubnis immer wieder hinausgezögert wurde.

Bald war klar, dass ich meinen Anschlussflug nach Mumbai nicht schaffen würde. Also wartete ich geduldig in einer Menge von Mitbetroffenen auf eine Lösung unserer Anliegen. Meine Lösung sah folgendermaßen aus:

Mein Flug wurde auf den Folgetag umgebucht, sodass ich erst am 3.11. in Mumbai ankommen sollte. Das ist auch mal ein Erlebnis – Neun Stunden am Flughafen verbringen, um ihn dann wieder zu Fuß verlassen. Positiv an der ganzen Situation war allerdings, dass ich ein Hotelzimmer inklusive Abendessen und Frühstück und schlussendlich einen Direktflug bekam. All das kam auch meinem verstauchten Fuß sehr entgegen.

Zwölf Stunden später als geplant kam ich schließlich in Mumbai an. Nun gab es nur noch zwei Hürden: die Einreise und mein Koffer. Ersteres klappte ohne Probleme (was aus Erfahrung nicht selbstverständlich ist). Ob mein Koffer mitgekommen und nicht doch in London gelandet war, bezweifelte ich etwas. Nach sehr langem warten am Band, hatte ich schon die Hoffnung aufgegeben. Eher zufällig streifte mein Blick einen Koffer. Ich dachte noch „ach der sieht fast aus wie meiner, schön wärs“, als ich plötzlich das neonfarbene Band am Griff entdeckte. „Oh, das ist ja sogar meiner!“ Unglaublich, dass das geklappt hat!

 

Endlich den Flughafen verlassend, entdeckte ich zum Glück sofort meine Leute unter den Massen von Indern, die alle irgendjemanden abholen wollten. Die Wiedersehensfreude war riesig, sodass alle Strapazen schnell vergessen waren.

 

„Daheim“ angekommen lief mir sogleich Dinesh über den Weg.

Dinesh ist im Kinderdorf in Paud aufgewachsen. Er hat dieses Jahr seine 10. Klasse beendet. Ich war sehr überrascht ihn hier anzutreffen. Da erzählte er mir, dass er nun in Mumbai im YMCA-Hotel eine Ausbildung zum Koch und Bäcker mache. Das freut mich unglaublich! Was für eine Möglichkeit für ein Kind, das aus elenden Verhältnissen zuerst in einem familiären Umfeld heranwachsen durfte und nun sogar eine gute Ausbildung genießt.

 

Für die nächsten 4-5 Tage werden Timothy und ich einen Strategieplan für das neue Projekt Ankur erstellen, um einerseits Behandlungspläne, Angehörigenberatung und Mitarbeitertraining zu organisieren und durchzuführen und andererseits mit potentiellen Kooperationspartnern in den entsprechenden Fachbereichen in Kontakt zu treten.

 

Ich freue mich auf den Ideenaustausch und das Ergebnis am Ende der Planungstage. Wir hoffen einige Physio- und Ergotherapeuten zu gewinnen, einmal pro Woche ihre Fachkompetenz ehrenamtlich einzubringen.

 

Rebekka